#FragDenApotheker — Teile 7–9
Über ASS vor Operationen, wirkungslose Komplexhomöopathie und ACC als Antidot gegen Paracetamol

Version vom 26.12.2019 — Bitte bis ganz nach unten scrollen. Danke.
#7
“Aspirin und Operationen — wieviel Zeit muss da vergehen?”
Der Wirkstoff von Aspirin ist die Acetylsalicylsäure (ASS). Er wirkt in niedrigen Dosen thrombozytenaggregationshemmend und in höheren Dosen schmerzlindernd, fiebersenkend (je 0,5–2 g) und entzündungshemmend (2–5 g).
Zur Vermeidung eines Herz- oder Hirninfarktes wird häufig ASS in Dosen von 100 mg pro Tag eingenommen.
Die Einnahme von ASS erhöht das Blutungsrisiko.
Wird es abgesetzt oder nimmt man es zusammen mit Ibuprofen ein, wird hingegen das Risiko eines Infarktes erhöht.
Vor einer OP muss also vom Arzt — nicht vom Patienten — abgeschätzt werden, welches Risiko höher wiegt.
Je größer das Blutungsrisiko während der OP, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es zuvor abgesetzt werden muss. Falls es zur Absetzung kommen soll, dann meistens zwischen 3 und 10 Tagen vor der Operation.
Die Hemmung der Thrombozytenaggregation durch das ASS ist irreversibel. Das heißt, sie hält für die gesamte Lebensdauer der Thrombozyten an: 7–10 Tage.
Die Thrombozyten müssen also erst wieder neu gebildet werden.
Ob ASS 100 bei Menschen, die über 70 kg wiegen, überhaupt eine Wirkung hat, die über die Wirkung von Globuli/Placebo hinausgeht, wird mittlerweile auch angezweifelt.
Low doses of aspirin (75–100 mg) were only effective in preventing vascular events in patients weighing less than 70 kg, and had no benefit in the 80% of men and nearly 50% of all women weighing 70 kg or more. By contrast, higher doses of aspirin were only effective in patients weighing 70 kg or more. Given that aspirin’s effects on other outcomes, including cancer, also showed interactions with body size, a one-dose-fits-all approach to aspirin is unlikely to be optimal, and a more tailored strategy is required. The Lancet
#8
“Was ist Komplexhomöopathie?”
Bei der Komplexhomöopathie werden wirkungslose homöopathische Einzelmittel mit weiteren wirkungslosen homöopathischen Einzelmitteln zu einem Gemisch wirkungsloser homöopathischer Einzelmittel vermischt. Die Wirkung ist wie bei allen homöopathischen Mittelchen nicht größer als der Placeboeffekt. Auch, wenn nicht aussagekräftige Studien etwas anderes behaupten.
Die Komplexhomöopathie ist heutzutage ein Versuch der homöopathischen Pharmaindustrie eine Brücke zur (richtigen) Medizin zu schlagen, da der Vorgang der sinnlosen Mittelchenwahl erspart bleibt und man darauf hofft, dass eines der Einzelmittel schon das richtige sein wird.
Homöopathische Komplexmittel werden häufig nicht als homöopathisch erkannt, da es sich meistens eben nicht um Globuli handelt.
Vertreter dieser homöopathischen Spielart erkennt man mit einem gezielten Blick auf die Inhaltsangabe des “Arzneimittels”. Findet man Angaben, wie D2, D6, D12 usw, dann handelt es sich meistens um Komplexhomöopathie, die man getrost wütend an den Apotheker zurückgeben darf.
Eines der bekanntesten Vertreter dieser Gattung ist das Meditonsin. (Welches es mittlerweile auch als Globuli gibt.)
Die Komplexhomöopathie beruht also nicht auf den Vorgaben der klassischen Homöopathie und wird sogar von Hardcore-Homöopathen als Blasphemie abgelehnt.
#9
“ACC ist doch nicht nur ein Hustenlöser, sondern auch ein Antidot gegen Paracetamolvergiftung. Also ist es doch blöd, bei Erkältung ACC und Grippostad (mit Paracetamol) zu empfehlen, oder?”
N-Acetylcystein ist ein Hustenlöser und kann mit ACC, aber auch mit NAC abgekürzt werden. Manche Kunden bezeichnen es auch liebevoll als ASS. 😉
Grippostad C wird bei Erkältung eingesetzt und enthält neben Paracetamol noch Vitamin C, Coffein und Chlorphenamin.
Das Chlorphenamin ist ein Antihistaminikum, das die Viskosität des Sekrets erhöht und somit das Abhusten behindert. Theoretisch wäre es also kontraindiziert Grippostad C zusammen mit ACC einzunehmen. Da das ACC sowieso nur eine geringe Wirkung hat — wenn überhaupt — da es kaum bis in die Bronchien gelangt, wird das aber nicht viel ausmachen.
Abgesehen davon, kann ACC aber als Antidot bei einer Paracetamolvergiftung eingesetzt werden.
Das heißt aber nicht, dass ACC die Wirkung des Paracetamols neutralisiert.
Paracetamol — in geringen Dosen — ist gut verträglich, so dass es auch bei Säuglingen gegen Fieber und Schmerzen eingesetzt werden kann.
Beim Abbau von Paracetamol entsteht eine für die Leber giftige Substanz, was aber kein Problem darstellt, da es sofort entgiftet wird.
Wird allerdings zuviel Paracetamol eingenommen, kann die entstandene giftige Substanz nicht mehr vollständig neutralisiert werden, sodass sie die Leber angreift.
ACC hilft dabei, die Lebertoxizität zu verhindern. Allerdings sollte es relativ schnell genommen werden und es bedarf ausreichend hoher Dosen. (300 mg pro Kg Körpergewicht. Also häufig Dosen über 20 g ACC als Infusion.)
Alle Angaben natürlich ohne Gewähr.
Über Ovations würde ich mich freuen. Danke! 😘 #DerApotheker
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Danke für stilistische und orthographische Korrekturvorschläge an Dr. Ulrike Koock alias Schwesterfraudoktor.