Der L-Thyroxin-Artikel
#DerApotheker klärt auf.

Version vom 05.06.2020 — Bitte bis ganz nach unten scrollen. Danke.
Was bisher geschah…
Jetzt: L-Thyroxin
#DerApotheker: Kennen Sie sich mit der Anwendung des L-Thyroxins aus?
#Kunde: Natürlich, ich nehme das ja schon lange ein.
#DerApotheker: Gut, achten Sie nur bitte immer darauf, dass Sie in der halben Stunde nach der Einnahme möglichst nichts essen und trinken.
#Kunde: Auch keinen Kaffee?
#DerApotheker: Auch keinen Kaffee und schon gar nicht mit Milch.
#Kunde: Oh, ich trinke kurz nach der Einnahme immer meinen Kaffee mit Milch.
Teil 1: Einnahme und Dosierung
L-Thyroxin gehört zu den Arzneimitteln, bei denen eine Beratung oft etwas schwierig ist. Fast immer, wenn ich meinen L-Thyroxin-Kunden eine Beratung anbieten möchte, werde ich sofort von ihnen abgeblockt. Es scheint auf dieser Welt nichts leichter zu sein, als die richtige Anwendung dieser kleinen Tabletten. Klar, die meisten müssen sie tatsächlich schon seit vielen Jahren Tag für Tag einnehmen und so ziemlich alle 100 Tage kommen sie wieder mit einem neuen Rezept in die Apotheke, um die nächste Packung ihrer Tabletten abzuholen. Und wir Apotheker nerven bloß wieder mit unserer Beratungspflicht. Aber, der Name verrät es schon: Beratung ist Pflicht. Zumindest müssen wir eine anbieten.
Auch wenn ich von meinen Kunden gleich abgeblockt werde, erwähne ich trotzdem, dass sie ihre L-Thyroxin-Tabletten mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück einnehmen sollten und in der Zeit nicht nur auf Essen, sondern am besten auch auf Trinken verzichten.
Gerade bei Kunden, die täglich hohe Dosen einnehmen, liegt für mich die Vermutung nahe, dass die Einnahme möglicherweise bisher immer falsch erfolgt ist. Später mehr dazu.
Warum ist es denn so wichtig, die Tabletten nüchtern einzunehmen und eine halbe Stunde lang weder zu essen noch zu trinken?
Die Menge an L-Thyroxin in den Tabletten ist sehr gering, man dosiert hier im Mikrogramm-Bereich.
Grob gesagt: Je weniger Restfunktion die Schilddrüse aufweist, desto größer die Dosis, die eingenommen werden muss. Wurde die Schilddrüse komplett entfernt, muss dementsprechend eine höhere Dosis eingenommen werden.
Dafür gibt es Tabletten in den folgenden Stärken: 25 µg, 50 µg, 75 µg, 88 µg, 100 µg, 112 µg, 125 µg, 137µg, 150 µg, 175 µg und 200 µg. Jedoch bietet nicht jede Firma jede Stärke an.
Manche Kunden müssen sogar zwei Tabletten verschiedener Stärken auf einmal oder im täglichen Wechsel schlucken. Andere wiederum sollen diese winzig kleinen Tabletten sogar halbieren, was sich immer wieder als äußerst kompliziert herausstellt. Vor allem dann, wenn man schon etwas älter ist und die Fingerfertigkeit deshalb häufig eingeschränkt ist. Das schreit dann schon förmlich danach, dass in keiner der beiden Hälften die exakt gleiche Menge an L-Thyroxin vorhanden ist, vor allem dann nicht, wenn vom Halbieren der Tablette noch überall Krümel herumliegen.
Aber egal, welche Dosis man letztendlich einnehmen muss, es kommt niemals die gesamte Menge L-Thyroxin im Blut an. Das liegt daran, dass es nur zu maximal 80 % bioverfügbar ist. Das bedeutet, dass von 100 µg L-Thyroxin nur 80 µg aufgenommen werden. 80 von 100. 80 %.
Das setzt allerdings voraus, dass die Tablette vor und nicht nach dem Frühstück eingenommen wird. Denn die Aminosäuren aus der Nahrung würden dann mit dem L-Thyroxin um die Transporter für die Aufnahme aus dem Darm ins Blut konkurrieren. Sind nicht alle Transporter frei, so können nur manche von ihnen das L-Thyroxin ins Blut transportieren. Ca. ein Drittel der L-Thyroxin-Moleküle bekommt keinen Platz im Transporter und kommen deshalb nie im Blut an.
Aus 100 µg L-Thyroxin werden 80 µg bioverfügbares L-Thyroxin und von denen bleiben nach dem Kampf um den Shuttle-Service nur noch so ungefähr 53,33 µg übrig. Also nur so ungefähr.
Hätte man zusätzlich noch mehrwertige Kationen zu sich genommen, also positiv geladene Ionen, wie das Calcium, würde das die aufgenommene Menge an L-Thyroxin noch weiter reduzieren. Abhängig davon, wie viele Kationen vorhanden wären und dann das L-Thyroxin binden, kämen dementsprechend weniger L-Thyroxin-Moleküle im Blut an. Aus diesem Grund sollte man zum Beispiel Milch, Mineralwasser aber auch Multivitaminsaft frühestens eine halbe Stunde nach der Einnahme der L-Thyroxin-Tablette trinken und schon gar nicht dazu verwenden, um die Tablette einzunehmen.
Vorsicht ist auch bei der Einnahme von Eisen geboten, denn Eisen bindet als Kation ebenfalls das L-Thyroxin und hindert es somit an der Resorption ins Blut.
Vor allem für Schwangere ist das relevant, da sie aufgrund ihrer Schwangerschaft häufig L-Thyroxin und Eisen verordnet bekommen. In solchen Fällen sollte das Eisen abends auf nüchternen Magen mit Orangensaft eingenommen werden.
Das gilt natürlich auch für alle, die nicht schwanger sind.
Ebenso stellen Antazida, Mittel gegen Sodbrennen, ein Problem dar, denn diese enthalten oft Aluminium. Das Aluminiumkation ist ebenso in der Lage das L-Thyroxin zu binden und so die aufgenommene Menge zu reduzieren. Also auch erst 30 Minuten später einnehmen. Frühestens.
Nochmal deutlich: L-Thyroxin muss mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück, auf leeren Magen, mit einem vollen Glas Leitungswasser eingenommen werden. Ein volles Glas Wasser, damit die Tablette auch wirklich im Magen ankommt und nicht in der Speiseröhre hängen bleibt und eine halbe Stunde vor dem Frühstück bedeutet, dass nach der Einnahme der Tablette für mindestens 30 Minuten nichts gegessen und nichts getrunken werden darf.
Weil ich es auch schon mehrfach gefragt wurde: 30 Minuten vor dem Frühstück bedeutet nicht, dass danach überhaupt etwas gegessen werden muss. Es geht dabei nur darum, dass nichts das L-Thyroxin an der Aufnahme hindert. Ihr könnt also ganz entspannt weiter intervallfasten.
L-Thyroxin darf aber auch abends eingenommen werden. Auch hier gilt natürlich, dass es auf nüchternen Magen eingenommen werden muss, also mindestens zwei Stunden nach der letzten Mahlzeit, und im Anschluss mindestens eine halbe Stunde nichts essen und nichts trinken. Wer vom L-Thyroxin aufgeputscht wird und deshalb dann nicht schlafen kann, sollte sie unmittelbar vor dem Schlafen einnehmen, so dass die Wirkung erst eintritt, wenn der Schlaf bereits eingetreten ist. Oder man nimmt sie morgens, wenn auch das nicht funktioniert.
Nachtrag zum Wasser: Mineralwasser enthält häufig mehr Calcium als Leitungswasser. Vor allem Mineralwasser, das als “calciumhaltig” deklariert wurde. Wohnt man allerdings an einem Ort, an dem das Leitungswasser sehr reich an Calcium ist, kann das natürlich auch einen gewissen Teil des L-Thyroxins an der Aufnahme hindern. Aber man wurde darauf eingestellt. Ein Problem könnte allerdings dadurch entstehen, dass man zum Beispiel an einem Ort Urlaub macht, an dem das Leitungswasser nur wenig Calcium enthält, weshalb die Aufnahme des L-Thyroxins durch dieses Leitungswasser weniger gehemmt wird und dadurch stärker wirkt.
Ich habe kurz nach der Einnahme immer meinen Kaffee mit Milch getrunken, ist das denn so schlimm?
Das Calcium in der Milch verhindert, wie bereits erwähnt, die Aufnahme des L-Thyroxins ins Blut.
Die Werte würden schwanken, weil nicht jeden Tag dieselbe Dosis L-Thyroxin ins Blut gelangt. Um im Blut anzukommen, muss die L-Thyroxin-Tablette sich erstmal im Magen auflösen, den Wirkstoff freisetzen und dieser muss dann weiter in den Dünndarm wandern, um von dort aus ins Blut zu gelangen. Wurde der Wirkstoff bereits zum Teil aufgenommen, bevor der Kaffee mit Milch getrunken wird, kann nur der Rest des L-Thyroxins “abgefangen” werden, der noch nicht aufgenommen wurde und der kann mal größer und mal kleiner sein, je nachdem wieviel Zeit man der Tablette ließ, bevor man damit begann, den Kaffee zu trinken, in den man viel zu viel Milch kippte.
Denn die Menge der Milch macht einen Unterschied. Mehr Milch bedeutet mehr Calcium. Mehr Calcium kann mehr L-Thyroxin an der Aufnahme hindern. Und die meisten Kaffeetrinker werden nicht täglich mit einem Messbecher vor ihrem Kaffee stehen und die exakt selbe Menge Milch in den Kaffee schütten. Oder benutzt ihr etwa diese kleinen portionierten Plastikteile? Ach so, dass das genauso für Kaffeesahne gilt, muss ich nicht extra erwähnen, oder?
Dazu kommt noch, dass es auch eine Rolle spielt, wie schnell man die Tasse Kaffee leert. Lässt man sich mit dem Trinken des Kaffees etwas länger Zeit, gibt man dadurch auch dem L-Thyroxin etwas länger Zeit aufgenommen zu werden.
Ihr seht also, es ist keine gute Idee dem L-Thyroxin sofort Kationen hinterherzuschicken, die nichts anderes im Sinn haben, als sich dem L-Thyroxin entgegen zu stellen. Wartet also bitte mindestens eine halbe Stunde nach der Einnahme, bevor ihr euch den Morgenlatte einflößt. Oder wahlweise den Milchkaffee. Was ihr eben so bevorzugt. Ich habe gegoogelt, das ist nicht dasselbe und Wortspiele nicht beabsichtigt.
Nachtrag zum Kaffee: Auch “Kaffee schwarz” verhindert durch Coffein, wie alle anderen coffeinhaltigen Getränke auch, die Aufnahme des L-Thyroxins.
Ich bin Veganer, ich trinke nur veganen Milchersatz. Soja-, Hafer und Mandelmilch. Ich bin fein raus, oder?
Leider nein. Diese Milchersatz-Produkte enthalten alle eine Extraportion Calcium. Bitte grundsätzlich nach der L-Thyroxin-Einnahme mindestens eine halbe Stunde warten.
Ich habe das mit dem Kaffee aber schon immer so gemacht. Soll ich das jetzt in Zukunft besser sein lassen?
Nein. Ganz wichtig: Bitte erstmal falsch weitermachen und sich dann vom Arzt erneut einstellen lassen.
Um die richtige Dosis L-Thyroxin zu finden, wird vom Arzt der TSH-Wert bestimmt. TSH ist die Abkürzung für Thyreoidea-stimulierendes Hormon, welches wiederum die Bildung von Schilddrüsenhormonen stimuliert.
Bei einem Erstbefund wird in den meisten Fällen zu einer weiteren Abklärung der Hypothyreose noch der Wert des freien L-Thyroxins bestimmt.
Ein hoher TSH-Wert deutet auf eine Unterfunktion hin, denn die Hypophyse schüttet TSH mit dem Zweck aus, mehr Schilddrüsenhormone zu bilden, weil zu wenige davon im Blut vorhanden sind.
Ist der TSH-Wert niedrig, zeigt das dementsprechend, dass die Schilddrüse zu viele Schilddrüsenhormone ins Blut abgibt. Es liegt also eine Überfunktion vor.
Wenn der TSH-Wert auf eine Unterfunktion hindeutet, müssen die fehlenden Schilddrüsenhormone mit der Gabe von L-Thyroxin am besten exakt so ersetzt werden, als läge keine Unterfunktion vor.
Um die richtige Dosis zu finden, wird der Arzt die Wirkstoffmenge bei einer latenten Hypothyreose langsam, stufenweise erhöhen. Latent ist sie dann, wenn noch keine Symptome aufgetreten sind, die TSH-Werte aber erhöht sind, während sich das freie L-Thyroxin im Normbereich befindet. Zu schnelles Aufdosieren kann zu Herzrasen, Unruhe und Ängstlichkeit führen.
2–5% der Patienten mit einer latenten Hypothyreose entwickeln innerhalb eines Jahres eine manifeste Hypothyreose.
Bei einer manifesten Hypothyreose, wenn die Symptome also bereits bestehen und eine Erniedrigung des freien L-Thyroxins vorliegt, gibt man beim ersten Mal 1,6 µg L-Thyroxin pro Kilogramm Körpergewicht. Für einen Patienten, der 100 kg auf die Waage bringt, wären bei einer manifesten Hypothyreose 160 µg pro Tag ideal.
Das gilt allerdings nicht, wenn eine Erkrankung des Herzens vorliegt.
Jetzt wieder zum Kaffee mit Milch: Trinkt der Patient in der Einstellungsphase seiner Hypothyreose täglich kurz nach der Einnahme Kaffee mit Milch, so wird der Arzt immer höhere Dosen verordnen müssen, bis der Patient vermeintlich richtig eingestellt ist.
Beispiel: Wie erwähnt, würden von 100 µg L-Thyroxin nur 80 µg im Blut ankommen. Nehmen wir an, die optimale Dosis für diesen Beispielpatienten wären 80 µg L-Thyroxin pro Tag. Nennen wir ihn Achim.
Gehen wir weiter davon aus, dass Achim täglich Kaffee mit Milch trinkt. Der Einfachheit halber jeden Tag exakt die gleiche Menge in der gleichen Geschwindigkeit zur gleichen Zeit. Achim ist Physiker und nimmt das sehr genau. Nehmen wir an, dass von den 80 µg L-Thyroxin aufgrund des Calciums in der Milch nur noch 50 µg ankommen würden. Da Achim aber nicht mit 50 µg sondern mit den 80 µg optimal eingestellt wäre, erhöht der Arzt die L-Thyroxin-Dosis, bis die benötigten 80 µg dann auch tatsächlich im Blut ankommen.
Das hat zur Folge, dass er jeden Tag eine höhere Dosis L-Thyroxin einnimmt, als er eigentlich müsste. Denn würde er seinen Kaffee mit Milch erst eine halbe Stunde oder noch später trinken, wäre der Wirkstoff bereits im Blut angekommen.
Da die höhere Dosis aber nur deshalb notwendig ist, weil Achim seinen Kaffee mit Milch unbedingt morgens so schnell wie möglich trinken möchte, wäre die Dosis logischerweise viel zu hoch, würde er von nun an eine halbe Stunde warten, bis er sich seinen Calciumkaffee gönnt.
Hat man es also schon immer falsch gemacht, sollte man es vorerst auch dabei belassen und zusammen mit seinem Arzt erneut nach der richtigen Dosierung suchen.
Wenn also jemand mit einem L-Thyroxin-Rezept zu mir in die Apotheke kommt, auf dem der Arzt eine hohe Dosis verordnet hat, versuche ich sofort herauszufinden, ob genau so eine Situation auch hier zutreffen könnte.
Und es ist wirklich erstaunlich, wie viele, die eigentlich keine Beratung wünschten, daraufhin zugeben, dass sie das bisher immer falsch gemacht haben und dachten, dass ihr Kaffee mit Milch kein Problem darstellen würde.
Muss ich denn immer die Tabletten von der gleichen Firma nehmen oder kann ich einfach wechseln, wenn meine Tabletten mal nicht verfügbar sein sollten?
Die Bioverfügbarkeit eines Arzneistoffes ist deutlich von der galenischen Zubereitung der Tabletten abhängig. Auf nicht pharmazeutisch heißt das, dass es von der Zusammensetzung der Tabletten abhängig ist, wie viel Wirkstoff wie schnell ins Blut aufgenommen wird.
Unterschiedliche Firmen nutzen unterschiedliche Hilfsstoffe und unterschiedliche Hilfsstoffe können eine unterschiedliche Freisetzung des Wirkstoffes bedingen. Wenn eine Tablette sich schneller im Magen auflöst, kommt der Wirkstoff auch schneller und vor allem in größeren Mengen auf einmal im Dünndarm an und er wird folglich auch schneller aufgenommen. Wenn die Tablette sich hingegen nur langsam im Magen auflöst, setzt sie den Wirkstoff auch nur langsam frei und der Wirkstoff trudelt dann nach und nach im Blut ein. Bei den meisten Arzneimitteln ist das kein Problem. Bei L-Thyroxin, aufgrund der geringen Dosierung, allerdings schon.
In einer Studie konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass L-Thyroxin Henning® 100 eine deutlich höhere Bioverfügbarkeit aufweist als Eferox® 100. Ist man daher gut auf das L-Thyroxin des einen Herstellers eingestellt, sollte man nicht einfach auf das Präparat eines anderen Herstellers wechseln und umgekehrt.
Wenn allerdings die Dosierung geändert werden muss, zum Beispiel von 100 µg auf 75 µg, dann ist es völlig egal, welchen Anbieter man sich verordnen lässt. Ich würde mir allerdings den aussuchen, der auch immer lieferfähig ist, auch dann, wenn ich ein paar Cent Eigenanteil zahlen müsste. If you know what I mean.
Das heißt also, dass ich ein aut-idem-Kreuz für mein L-Thyroxin brauche, damit ich immer die Tabletten der gleichen Firma bekomme?
Wenn der Arzt ein Arzneimittel verordnet, dann dürfen wir exakt dieses nur dann abgeben, wenn es ein Rabattarzneimittel der Krankenkasse ist oder der Arzt ein aut-idem-Kreuz gesetzt hat. Dadurch wird ein Austausch ausgeschlossen.
Ein “aut-idem-Kreuz setzen” bedeutet genau genommen, dass das “aut-idem” durchgestrichen wird. “Aut idem” heißt “oder das Gleiche”, also das Gleiche, nur von einer anderen Firma. Mit dem Kreuz ist der Austausch ausgeschlossen.
Da L-Thyroxin, wie oben beschrieben, von einer anderen Firma aber nicht “das Gleiche” ist, hat der Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) beschlossen, dass L-Thyroxin nicht mehr ausgetauscht werden darf. L-Thyroxin steht deshalb seit dem 10. Dezember 2014, zusammen mit gewissen anderen Arzneimitteln, auf der Substitutionsausschlussliste. Das heißt, seit diesem Tag gibt es für L-Thyroxin keine Rabattverträge mehr und in der Apotheke darf nur noch exakt das Präparat abgegeben werden, welches vom Arzt verordnet wurde. Ein aut-idem-Kreuz ist also schon seit vielen Jahren nicht mehr nötig. Trotzdem wird L-Thyroxin gefühlt immer noch häufiger mit Kreuz als ohne verordnet. Was natürlich kein Problem darstellt, aber irgendwie interessant ist.
Teil 2: Die Details
Was ist L-Thyroxin eigentlich und wie wird es gebildet?
L-Thyroxin ist die Abkürzung von Levothyroxin. Wenn man möchte, darf man aber auch T4 oder Tetraiodthyronin sagen.
Tetra ist die griechische Vorsilbe für vier. “Tetraiod” in Tetraiodthyronin bedeutet also dass es sich hierbei um ein Thyroninmolekül handelt, an das vier Iodatome gebunden sind.
Wir bleiben aber bei der gebräuchlichsten Bezeichnung: L-Thyroxin.
L-Thyroxin ist ein Hormon, das in der Schilddrüse sowohl gebildet als auch gespeichert wird.
Die Schilddrüse, die auf Latein Glandula thyreoidea genannt wird, stellt auch ein weiteres Hormon her, das ein Iodatom weniger besitzt als das L-Thyroxin, aber ansonsten gleich aussieht. Das Triiodthyronin. (Auch Liothyronin genannt oder kurz: T3.)
Das Thyronin wiederum, an dem die Iodatome gebunden sind, leitet sich von der Aminosäure Tyrosin ab. Aminosäuren sind die Bausteine der Proteine, der Eiweiße.
Mengenmäßig stellt die Schilddrüse wesentlich mehr L-Thyroxin her als Triiodthyronin. Sobald im Körper Bedarf besteht, werden die beiden Hormone freigesetzt. Die Schilddrüse gibt pro Tag 90 µg L-Thyroxin und 8 µg Triiodthyronin ins Blut ab und untersteht der ständigen Kontrolle durch den Hypothalamus und der Hypophyse.
Der Hypothalamus, ein Abschnitt des Zwischenhirns, setzt TRH (thyreotropin releasing hormone/Thyreoliberin) frei, was wiederum dafür sorgt, dass das TSH (thyreoidea stimulating hormone/Thyreotropin) in der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) freigesetzt wird. Dadurch wird die Iodaufnahme in die Schilddrüse erhöht und die Freisetzung der Schilddrüsenhormone aus der Schilddrüse stimuliert. Wurden ausreichend Schilddrüsenhormone freigesetzt, führt das zu einer Verringerung der TRH- und TSH-Produktion und damit zu einer reduzierten Freisetzung der Schilddrüsenhormone. Das nennt man negative Rückkopplung.
Um die Schilddrüsenhormone zu bilden, braucht der Körper Iod.

Wieviel Iod muss ich denn zu mir nehmen?
Der Körper benötigt zwischen 150 und 200 µg Iod pro Tag.
Kann dieser Bedarf nicht komplett durch Nahrung oder Trinkwasser gedeckt werden, ist die tägliche Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten oder von 5 g iodiertem Kochsalz nötig.
Kinder und Säuglinge brauchen etwas weniger Iod als Erwachsene.
Schwangere und Stillende hingegen etwas mehr, da sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Kind mitversorgen müssen. Aus diesem Grund enthalten “Schwangerschaftsvitamine” fast immer Iod.
Der Iodbedarf steigt in der Schwangerschaft von 200 auf 230 µg an.
Wie kann ich meinen Iodbedarf durch Nahrung decken?
Relativ viel Iod nimmt der Körper durch den Verzehr von Speisefischen und Meerestieren auf.
Algen enthalten sehr hohe Mengen Iod, weshalb man mit größeren Mengen vorsichtig sein muss. Vor allem Sushi-Liebhaber sollten darauf achten.
Wenn man nach den Iodgehalten verschiedener Lebensmittel sucht, findet man überall andere Angaben, was natürlich auch daran liegen kann, dass es bei Lebensmitteln zu natürlichen Schwankungen kommen kann. Ich habe mich dabei an dieser PDF hier orientiert, sah sie doch relativ vertrauenswürdig aus.
Der Tabelle entsprechend enthält zum Beispiel Schellfisch 243 µg Iod pro 100 g, Seelachs 200 µg Iod pro 100 g und Hummer 100 µg pro 100 g.
Fische aus dem Meer sind gute Iodquellen, Süßwasserfische hingegen nicht. Sie enthalten nur relativ wenig Iod.
Der Iodbedarf lässt sich aber nicht nur durch Meeresbewohner decken sondern natürlich auch über andere Lebensmittel.
Durch 100 g Mozzarella nimmt man zum Beispiel 15 µg Iod auf. Der allseits beliebte Brokkoli (Nein, danke!), enthält ebenfalls 15 µg Iod pro 100 g und Spinat bietet noch 12 µg pro 100g.
Die wichtigste Quelle, um seinen Iodbedarf zu decken, ist aber das Iodsalz. Dabei handelt es sich um normales Speisesalz, das mit Iodat (IO3−) angereichert wurde. In 100 g Iodsalz befinden sich 2 mg Iod, weshalb man mit 5 g Salz bereits 100 µg Iod aufnimmt.
Seit man in Deutschland das Salz mit Iodat anreichert, wird Deutschland nach WHO-Kriterien nicht mehr als Iodmangelgebiet eingestuft.
Wie entstehen aus Iod die Schilddrüsenhormone?
Iod gelangt durch die Nahrungsaufnahme in Form des Anions über den Dünndarm ins Blut und von da aus werden die Iodidionen aktiv in die Schilddrüse transportiert und gespeichert. Man nennt das Iodination.
Durch diesen Vorgang befinden sich mehr als hundertmal so viele Iodidionen in der Schilddrüse als im Blut.
Der nächste Vorgang, der stattfindet, nennt sich Iodisation:
Das Iodidion ist einfach negativ geladen, es hat also ein Elektron zuviel. Die Oxidationszahl ist daher -1.
Das Iodid wird durch Wasserstoffperoxid oxidiert und dadurch positiver, das heißt, es gibt das negativ geladene Elektron wieder ab und wird dadurch zum elementaren Iod. Die Oxidationszahl von Iod steigt von -1 auf ±0.
Das vom Iodid abgegebene Elektron, wird vom Sauerstoffatom des Wasserstoffperoxids wieder aufgenommen. Das Sauerstoffatom ist dadurch negativer, es wurde reduziert. Aus dem Wasserstoffperoxid entsteht dabei Wasser.
Das Ganze nennt man Redoxreaktion, die in diesem Fall mit HiIlfe des Enzyms Thyreoperoxidiase (oder Iodid-Peroxidase genannt) stattfindet.
Das Iod, das aus dem Iodid entstanden ist, bindet sofort an die Tyrosinreste des Thyreoglobulins und es entstehen dabei zwei Moleküle: Das MIT (Monoiodtyrosin) mit einem gebundenen Iodatom und das DIT (Diiodtyrosin) mit zwei gebundenen Iodatomen. Durch die Peroxidase werden die beiden Moleküle verbunden. Zwei DIT ergeben L-Thyroxin und ein MIT zusammen mit DIT ergeben Triiodthyronin. So viel Chemie im Körper.
Das Thyreoglobulin dient dem Körper als Speicher für die beiden Hormone. Es besteht aus zwei Untereinheiten mit jeweils 70 Tyrosinresten.
Obwohl die Schilddrüse, wie beschrieben, viel mehr L-Thyroxin freisetzt, als Triiodthyronin, ist die Konzentration an L-Thyroxin im Blut wesentlich geringer, als die des Triiodthyronins.
Der Grund dafür ist, dass L-Thyroxin im Blut durch Abgabe eines Iodatoms zum Triiodthyronin wird. Etwa 80% des sich im Blut befindlichen Triiodthyronins ist aus L-Thyroxin entstanden. Wir erinnern uns, dass beide Moleküle sich im Aussehen nur in der Anzahl der Iodatome unterscheiden.
Die Hauptwirkung geht auch nicht vom L-Thyroxin, sondern vom Triiodthyronin aus, da dieses wesentlich stärker an den Rezeptor bindet. Das als Tabletten geschluckte L-Thyroxin kann folglich als Prodrug bezeichnet werden, was bedeutet, dass die eigentlich wirksame Form, erst noch im Körper entstehen muss.
Über 99 % der im Blut befindlichen Schilddrüsenhormone werden an Plasmaproteine gebunden. Davon binden 60 % an das thyroxinbindende Globulin (TBG), 30 % an das Präalbumin und 10 % an das Albumin.
Das heißt, dass nur die 1% der Schilddrüsenhormone im Blut eine Wirkung ausüben können, da sie sich frei im Blut bewegen können. Durch Bluttest lassen sich die Konzentrationen an freiem L-Thyroxin und Triiodthyronin relativ genau bestimmen.
Was bewirken denn die Schilddrüsenhormone im Körper?
Die Schilddrüsenhormone, vor allem das Triiodthyronin, erhöhen den zellulären Sauerstoffverbrauch, die Wärmebildung im Körper, bis aufs Gehirn und sie vermehren weiterhin die Entstehung von Proteinen die am Energiehaushalt beteiligt sind. Die Folge davon ist eine Erhöhung des Grundumsatzes des Körpers. Das heißt, der Körper verbrennt dadurch schon in Ruhe mehr Kilokalorien.
In der Leber wird durch Glykolyse und Gluconeogenese vermehrt Glucose bereit gestellt. Der Blutzuckerspiegel steigt daraufhin.
Die Glykolyse ist der Abbau von Glykogen. Glykogen ist eine Speicherform der Glucose, das aus mehreren Molekülen Glucose zusammengesetzt ist und bei Bedarf Glucose freisetzt. Glykogen wird in der Leber und in den Muskeln gespeichert.
Gluconeogenese hingegen bezeichnet die Neuentstehung von Glucose.
In niedrigen Dosierungen (100–200 Mikrogramm pro Tag) haben die Schilddrüsenhormone vor allem eine anabole Wirkung, das heißt, es werden mehr Glykogen und mehr Proteine gebildet.
Bei höheren Konzentrationen hingegen überwiegen katabole Prozesse, was wiederum bedeutet, dass es zu einem beschleunigten Eiweißabbau in der Muskulatur kommt. Die Protein- und Glykogensynthese werden gehemmt.
Das Triiodthyronin erhöht außerdem die Anzahl der LDL-Rezeptoren in den Leberzellen. Durch LDL-Rezeptoren wird das LDL in die Zellen aufgenommen. LDL sind low density Lipoproteine, also Komplexe aus Lipiden (Fetten) und Proteinen (Eiweißen), die eine geringe Dichte aufweisen. Sie transportieren zum Beispiel vom Körper selbst hergestelltes Cholesterol (Cholesterin) in die Zellen. Der LDL-Cholesterol-Wert sinkt. LDL wird auch als “böses Cholesterin” bezeichnet.
Wenn eine Schilddrüsenunterfunktion vorliegt und dementsprechend zu wenig Schilddrüsenhormone gebildet werden, wird weniger Fett aus dem Blut in die Leber transportiert. Dadurch erhöht sich der LDL-Cholesterolspiegel. Auf Dauer können hohe Blutfettwerte zu Atherosklerose führen, einer Verfettung der inneren Wandschicht von arteriellen Blutgefäßen, die eine Verhärtung der Gefäße auslösen oder begleiten und zu zahlreichen Krankheiten führen kann.
Ein durch die Hypothyreose bedingter Anstieg des Cholesterols kann folglich durch Einnahme von L-Thyroxin gesenkt werden.
Im Fettstoffwechsel steigert Triiodthyronin einerseits die Lipolyse (Fettabbau) im Plasma, andererseits fördert es die Lipogenese — also die Herstellung von Fettsäuren, z.B. zum Zweck der Energiespeicherung — im Fettgewebe und in der Leber. Normalerweise überwiegt dabei die Lipolyse.
Weiterhin bewirkt Triiodthyronin eine Erhöhung der Dichte der β1-Adrenozeptoren am Herzen. Durch diese Rezeptoren wird unter anderem der Blutdruck reguliert. Mehr Rezeptoren führen zu einem höheren Blutdruck. (Wird L-Thyroxin also zu hoch dosiert, zeigt sich das auch in einem erhöhten Blutdruck.)
Die Schilddrüsenhormone haben aber auch Einfluss auf das Wachstum und die Entwicklung. Zusammen mit dem Wachstumshormon Somatropin sind sie in physiologischen Konzentrationen die Voraussetzung für das Längenwachstum der Knochen, sowie einer gesunden Entwicklung der Organe im Körper.
Welche Symptome treten auf, wenn mein Körper nicht ausreichend Schilddrüsenhormone bilden kann?
Wenn der Körper nicht ausreichend Schilddrüsenhormone bilden kann, liegt eine Unterfunktion vor, eine Hypothyreose.
Eine Hypothyreose wird oft erst spät erkannt, weil sie zu Beginn kaum Beschwerden verursacht.
Die Symptome lassen sich aus den Wirkungen der Schilddrüsenhormone ableiten.
Bei einer Hypothyreose
- friert man häufiger
- fühlt man sich erschöpft, müde und antriebslos
- nimmt man zu
- lässt das Gedächtnis nach
- kommt es zu depressiven Verstimmungen
- wirkt die Haut blass, trocken und kühl
- sind die Blutfettwerte, vor allem das LDL-Cholesterol, erhöht
- fallen vermehrt die Haare aus
- werden die Nägel brüchig
- klingt die Stimme heiser und tief
- leidet man unter chronischer Verstopfung
- vergrößert sich die Schilddrüse (Struma/Kropf)
- sammelt sich in den Augenlidern Flüssigkeit an (Ödembildung)
- sind die Monatsblutungen bei Frauen unregelmäßig.
- ist die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden reduziert (auch nur bei Frauen — offensichtlich)
- kommt es zu Potenzverlust und vermindertem sexuellen Lustempfinden bei Männern
- schlägt das Herz langsamer (Bradykardie)
- ist der systolische Blutdruck geringer (erster Wert) und der diastolische erhöht (zweiter Wert)
Wer sich angesprochen fühlt, sollte mal seine Schilddrüsenwerte überprüfen lassen. Je mehr Symptome aus der Liste auftreten, desto wahrscheinlicher könnte eine Hypothyreose vorliegen. Natürlich muss nicht jedes Symptom bei jedem auftreten.
Welche Arten der Hypothyreose unterscheidet man?
Man unterscheidet eine angeborene Hypothyreose von einer erst nach der Geburt erworbenen. Selten kommt es auch vor, dass zwar genügend Schilddrüsenhormone gebildet werden, diese aber nicht ausreichend wirken können.
Die angeborene Hypothyreose: Eine angeborene Hypothyreose tritt etwa bei einem von 5000 Neugeborenen auf, was daran liegt, dass entweder die Schilddrüse des Fetus sich im Mutterleib nicht oder nicht ausreichend entwickelt hat, sie genetisch bedingt nicht genügend Hormone bildet oder auch dann, wenn in der Schwangerschaft ein Iodmangel vorlag oder Medikamente eingenommen wurden, die die Schilddrüsenfunktion unterdrückten.
Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen kann bei Kindern zu einer körperlichen und geistigen Entwicklungsverzögerung führen. Das Vollbild wird Kretinismus genannt.
Wenn der Fetus nicht ausreichend Schilddrüsenhormone bildet, kann sein Bedarf dennoch über die Mutter gedeckt werden. Nach der Geburt müssen dann Schilddrüsenhormone gegeben werden.
Würde jedoch keine Substitution der Schilddrüsenhormone erfolgen, käme es in Folge zu einer körperlichen und geistigen Entwicklungsstörung, die zusätzlich mit einer Antriebslosigkeit, Verstopfung und trockener Haut einhergehen würde.
Um eine Entwicklungsstörung zu verhindern, werden Neugeborene Hypothyreose-Screenings unterzogen, es sei den ein Elternteil lehnt das ab.
Wenn der Fetus allerdings nicht ausreichend Schilddrüsenhormone bildet und sein Bedarf auch nicht über die Mutter gedeckt werden kann, weil bei ihr ebenfalls ein Mangel an Schilddrüsenhormonen vorliegt, kann die L-Thyroxingabe nach der Geburt eine Entwicklungsstörung nicht mehr verhindern.
Früher gab es häufig solche Fälle in Gebieten, die nicht direkt am Meer lagen und die Menschen sich dementsprechend nicht von iodreichen Fischen und Meerestieren ernähren konnten. Nachdem man allerdings damit anfing, das Speisesalz zu iodieren, kamen diese Fälle kaum noch vor.
Die erworbene Hypothyreose: Eine Hypothyreose, die man erst im Laufe des Lebens erwirbt, wird in eine primäre und in eine sekundäre Form eingeteilt.
Primäre Hypothyreose: Eine primäre Hypothyreose liegt vor, wenn die Schilddrüse nicht in der Lage ist, genügend Schilddrüsenhormone zu bilden und freizusetzen, um den Körper ausreichend mit L-Thyroxin und Triiodthyronin zu versorgen. Sie bildet zwar beide Hormone aus, aber nur in geringen Mengen, so dass dadurch natürlich auch die Konzentrationen im Blut geringer sind. In Folge kommt es zu einem TSH-Anstieg, da die Hypophyse möchte, dass die Schilddrüse gefälligst mehr L-Thyroxin und Triiodthyronin bildet.
Eine Unterversorgung liegt auch vor, wenn man bei einer Schilddrüsenoperation Teile oder die gesamte Schilddrüse entfernen musste. Wurde die gesamte Schilddrüse entfernt, muss dementsprechend eine hohe Dosis L-Thyroxin gegeben werden, da keine Schilddrüse auch keine Schilddrüsenhormone bilden kann.
Die Durchführung einer Radioiodtherapie kann ebenfalls zu einer Hypothyreose führen. Diese Therapie wird zum Beispiel bei einer vorliegenden Krebserkrankung der Schilddrüse durchgeführt. Es muss dabei radioaktives Iod eingenommen werden. Da das Iod nur von der Schilddrüse aufgenommen wird, kann es dort auch gezielt wirken. Aufgrund seiner Radioaktivität zerfällt es und setzt dabei Beta-Strahlung frei, die überaktives Schilddrüsengewebe abtötet.
Eine Behandlung mit Thyreostatika führt ebenfalls zu einer Hypothyreose, da sie auf unterschiedlichen Wegen die Entstehung oder Freisetzung der Schilddrüsenhormone hemmen. Thyreostatika werden bei einer Überfunktion der Schilddrüse eingesetzt.
Ein früher häufiger und heute seltenerer Auslöser eine Hypothyreose stellt ein extremer Iodmangel, der durch eine Schilddrüsenvergrößerung (Struma) nicht ausgeglichen werden kann, dar.
Besteht ein Iodmangel führt das zu einer Zellvermehrung der Drüsenzellen, die Schilddrüse wächst an und es bildet sich ein Kropf (Struma) aus. Hält der Iodmangel länger an, entwickeln sich vermehrt Zellhaufen, die Schilddrüsenknoten. Diese können weiter wachsen und unkontrolliert Hormone bilden, was dann wiederum zu einer Schilddrüsenüberfunktion führen kann. In manchen Fällen können die Knoten sogar bösartig werden.
Der Grund dafür, dass die Schilddrüse wächst, ist, damit sie mehr Möglichkeiten hat, Iod aus dem Blut zu “fischen”. Mit 100 Angeln kann man mehr Fische gleichzeitig fangen, als mit 50 Angeln. Schwimmt allerdings nicht ausreichend Iod im Blut herum, um den Iodmangel auszugleichen, bringen auch 100 Angeln nichts und es entsteht eine Hypothyreose. Ein Iodmangel bei dem sich eine Struma ausgebildet hat, wird mit einer Kombination aus L-Thyroxin und Iod behandelt.
Ebenfalls kann ein Selenmangel für eine Hypothyreose verantwortlich sein. Das liegt darin begründet, dass die Deiodasen Selen benötigen, um — wie der Name schon andeutet — zu deiodieren, sprich: Um Iod zu entfernen. Diese Enzyme sind also für die Umwandlung von L-Thyroxin in Triiodthyronin verantwortlich. Es liegt allerdings keine Evidenz vor, dass die Einnahme von Selen als Nahrungsergänzungsmittel einen Nutzen bei einer Hypothyreose hat.
Ein weiterer Auslöser für eine Hypothyreose, ist die atrophische Thyreoiditis. Dabei kommt es zu einer Verkleinerung des Gewebes, was mit Funktionsverlusten einhergeht. Die Hashimoto-Thyreoiditis.
Hashimoto: Ein Beispiel für eine primäre Form und der häufigste Vertreter dieser Gruppe, ist die Hashimoto-Thyreoiditis. Entdeckt wurde diese Autoimmunerkrankung von einem japanischen Arzt namens Hakaru Hashimoto. Sie gehört zu den häufigsten Autoimmunerkrankungen. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis greifen T-Lymphozyten des körpereigenen Abwehrsystems das Gewebe der Schilddrüse an und schädigen es dadurch. Es kommt in Folge zu einer anhaltenden Entzündung der Schilddrüse, wodurch eine Schilddrüsenunterfunktion entsteht. Durch die Zerstörung des Gewebes kann es aber auch vorübergehend zu einer Überfunktion der Schilddrüse kommen.
Die Ursache für diese Krankheit ist noch nicht vollständig geklärt. Ein möglicher Auslöser scheint eine hohe Iodaufnahme zu sein.
Frauen sind viel häufiger an “Hashimoto” erkrankt als Männer. Die Erkrankung tritt meist erst zwischen dem 30. Und dem 50. Lebensjahr auf, bei Frauen häufig zusammen mit den Wechseljahren, weshalb man die Symptome häufig als Wechseljahrsbeschwerden fehldeutet.
Außerdem scheint das Risiko, eine Hashimoto-Thyreoiditis zu erwerben, größer zu sein, wenn man bereits an einer anderen Autoimmunkrankheit, wie Diabetes mellitus Typ 1, Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) oder auch Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) leidet.
Es schadet also nicht, die Schilddrüse mal auf “Hashimoto” überprüfen zu lassen, wenn man bereits unter einer Autoimmunerkrankung leidet.
Diagnostizierbar ist “Hashimoto” häufig durch erhöhte Werte der Thyreoglobulin-Antikörper (TgAK) und/oder der Antikörper gegen thyreoidale Peroxidase (TPO-AK). Selten kommt es allerdings auch vor, dass keine Antikörper nachweisbar sind.
Liegt eine Hashimoto-Thyreoiditis vor, ist der TgAK-Wert in 70 % der Fällen erhöht und in 90 % der Fällen der TPO-AK-Wert.
Um eine Hashimoto-Thyreoiditis sicher zu diagnostizieren, wird die Schilddrüse außerdem mittels Ultraschall untersucht.
Letztendlich kann aber eine, durch Feinnadelpunktion gewonnene, histologische Untersuchung des Schilddrüsengewebes endgültige Sicherheit bringen.
Ist man an “Hashimoto” erkrankt, sollte man, außerhalb der normalen Nahrung, kein Iod zusätzlich einnehmen. Manche Patienten reagieren aber schon bei der Aufnahme geringer Mengen Iod durch Nahrungsmittel empfindlich.
Behandelt wird mit L-Thyroxin, was in den meisten Fällen auch gelingt. Manche Patienten klagen, obwohl sie richtig eingestellt sind, dennoch über Symptome wie Müdigkeit und Erschöpfung, Schlafstörungen, Muskel- und Gelenkbeschwerden, trockenem Mund und trockenen Augen. In diesen Fällen könnte eventuell eine Entfernung der Schilddrüse mit anschließender L-Thyroxingabe helfen.
Sekundäre Formen: Bei der sehr seltenen sekundären Form bildet die Hypophyse nicht ausreichend TSH, weshalb weniger Schilddrüsenhormone gebildet werden.
Zusammenfassung der Hypothyreose in einem Satz
Wenn die Schilddrüse nicht ausreichend Schilddrüsenhormone bilden oder freisetzen kann, müssen die fehlenden Schilddrüsenhormone durch Einnahme von L-Thyroxin ersetzt werden. Lebenslang.
Teil 3: Fragen und Antworten
F: Mit welchen Arzneimitteln gibt es Wechselwirkungen?
A: Verschiedene Arzneimittel können die Wirkung von L-Thyroxin vermindern. Die L-Thyroxin-Dosis sollte dann daran angepasst werden. Beispiele sind Glukokortikoide (“Cortison”), Betablocker zum Blutdrucksenken aber auch die Pille, sowie Präparate zur postmenopausalen Hormonersatztherapie.
Diabetiker sollten darauf achten, dass L-Thyroxin die Wirkung von Metformin, Glibenclamid und von Insulin abschwächen kann. Deren Dosen müssen also erhöht werden.
Phenprocoumon (Marcumar) wirkt stärker, wenn gleichzeitig L-Thyroxin genommen wird.
F: Ich nehme zwar L-Thyroxin und die Pille, aber beide nicht zur gleichen Uhrzeit. Die L-Thyroxin-Tablette nehme ich morgens und die Pille abends. Das dürfte dann doch nichts ausmachen, oder?
A: Solange beide Arzneimittel gleichzeitig im Blut sind, kann es zu Wechselwirkungen kommen, unabhängig davon ob eine Tablette morgens und eine abends eingenommen wird.
F: Stimmt es dass die Dosis am Anfang gering ist und später erhöht wird?
A: Bei einer latenten Hypothyreose (siehe oben) wird die Dosis langsam gesteigert, um die Gefahr kardialer Nebenwirkungen zu minimieren.
F: Bringt eine Überdosierung tatsächlich Symptome wie bei der Hyperthyreose?
A: Wird L-Thyroxin überdosiert, ist das für den Körper so, als läge eine Hyperthyreose vor, also eine Überfunktion der Schilddrüse.
Dementsprechend treten auch dieselben Symptome auf, wie zum Beispiel eine Tachykardie (Herzrasen) oder ein erhöhter Grundumsatz, durch welchen der Körper mehr Kalorien benötigt. Führt man diese nicht zu, kommt es zu einem Gewichtsverlust.
Die Haut fühlt sich bei einer Hyperthyreose feucht und warm an, es kann außerdem zu Nervosität und zu einem Tremor (Muskelzittern) kommen.
F: Stimmt es dass die langfristige Einnahme Osteoporose fördert?
A: Die Einnahme von L-Thyroxin kann aufgrund der Senkung des TSH-Wertes zu Osteoporose führen, wenn es über einen langen Zeitraum in hohen Dosen eingenommen wird. Das betrifft vor allem Frauen nach der Menopause.
F: Wann muss ich L-Thyroxin zusammen mit Iod einnehmen?
A: L-Thyroxin in Kombination mit Iod ist zur Behandlung einer Schilddrüsenvergrößerung ohne gleichzeitige Funktionsstörung angezeigt, wenn aus ärztlicher Sicht neben einem Schilddrüsenhormon eine zusätzliche Iodgabe von Nöten ist. Außerdem ist die gleichzeitige Gabe nach einer Operation der Schilddrüse oder nach einer Behandlung mit Radioiod nötig, damit es nicht zu einem erneuten Kropfwachstum kommt.
F: Warum ist mein L-Thyroxin-Präparat nicht lieferbar?
A: Die Firmen scheinen häufig damit Probleme zu haben, das L-Thyroxin stabil zu halten. Das kann dann dazu führen, dass die Tabletten relativ früh zerfallen und dadurch einen geringeren Gehalt an Wirkstoff und einen höheren Gehalt an Abbauprodukten enthalten. Je besser es gelingt das L-Thyroxin zu stabilisieren, desto länger sind die Tabletten haltbar. Deshalb bekommt man von manchen Herstellern nur Tabletten, die ziemlich schnell verfallen und bei großen Nachfragen, können diese Hersteller dann nicht schnell genug liefern.
F: Gibt es L-Thyroxin auch als Globuli?
A: Ja, die haben aber keine Wirkung, die über den Placeboeffekt hinausgeht — genausowenig wie alle anderen homöopathischen Mittelchen auch.
F: Was ist mit Magnesium? Kann ich L-Thyroxin zusammen mit Magnesium einnehmen?
A: Magnesium scheint nicht mit L-Thyroxin wechselzuwirken. Warum das so ist, ist nicht bekannt. Trotzdem würde ich grundsätzlich mindestens 30 Minuten Abstand halten.
F: Kann ich L-Thyroxin zusammen mit Pantoprazol einnehmen?
A: Ja, es scheint keine Wechselwirkung zwischen Pantoprazol und L-Thyroxin zu bestehen. Der höhere pH-Wert im Magen hat wohl keinen negativen Einfluss auf das L-Thyroxin.
F: Wie oft sollte man die Blutwerte bestimmen lassen?
A: Anfangs halbjährlich und später reicht einmal im Jahr.
F: Gibt es, wie bei der Pille, L-Thyroxin-Tabletten mit Wochentagen auf dem Blister?
A: Ja, es gibt auch von L-Thyroxin Kalenderpackungen. Die müssen aber explizit verordnet werden. Wie erwähnt, darf bei einer L-Thyroxin-Verordnung nur das abgegeben werden, was auf dem Rezept steht.
F: Was soll ich machen, wenn ich die Einnahme vergessen habe?
A: Dann sollte am nächsten Tag die nächste Dosis genommen werden, als wäre nie etwas gewesen.
F: Was ist, wenn ich es immer wieder vergesse einzunehmen?
A: Dann sollte vielleicht einfach mal ein Wecker gestellt werden, der an die tägliche Einnahme erinnert. Post its am Spiegel könnten auch helfen. “Nimm deine Tabletten”
F: Muss ich meine Tabletten immer zur gleichen Zeit nehmen?
A: Ja, um konstante Wirkspiegel zu erreichen, sollten die Tabletten möglichst alle 24 Stunden eingenommen werden. Viele stellen sich den Wecker, schlucken ihre Tabletten in aufrechter Position mit einem vollen Glas Leitungswasser und legen sich wieder schlafen.
F: Muss ich in der Schwangerschaft mehr L-Thyroxin zu mir nehmen?
A: In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an L-Thyroxin estrogenbedingt um ca. 40 % an. Der Arzt bestimmt den TSH-Wert und passt die Dosis entpsrechend an.
F: Welche Nebenwirkungen treten am häufigsten auf?
A: Am häufigsten (bei mehr als einem von zehn) treten Herzklopfen, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen auf.
F: Beeinträchtigt Soja die Aufnahme von L-Thyroxin?
A: Ja, Soja enthält Calcium und Calcium hemmt die Aufnahme. Also auch hier auf jeden Fall mindestens 30 Minuten Abstand halten.
F: Kann ich Orangensaft zum L-Thyroxin trinken?
A: Nein, auch Orangensaft enthält Calcium.
F: Stimmt es, dass L-Thyroxin auch bei einer Depression gegeben wird?
A: L-Thyroxin kann bei einer Depression gegeben werden, da es die Wirkung klassischer Antidepressiva verstärkt.
F: Warum nimmt man L-Thyroxin und nicht Triiodthyronin ein, wenn letzteres doch die Hauptwirkung hat?
A: L-Thyroxin wird bevorzugt, weil es eine längere Halbwertzeit hat als das Triiodthyronin.
F: Warum wird beim Schilddrüsenkrebs eine höhere Dosierung gewählt?
A: Um die TSH-Sekretion vollständig zu unterdrücken. TSH würde eventuell verbliebene Tumorzellen stimulieren.
F: Welche Möglichkeiten gibt es noch, wenn man mit L-Thyroxin nicht gut genug eingestellt werden kann?
A: Es gäbe noch die Möglichkeit, statt L-Thyroxin auf Triiodthyronin (Liothyronin) umzusteigen oder auf eine Kombination aus L-Thyroxin und Triiodthyronin.
F: Stimmt es, dass L-Thyroxin zum Abnehmen missbraucht wird?
A: Ja, L-Thyroxin beschleunigt den Stoffwechsel, weshalb manche Patienten absichtlich eine höhere Dosis einnehmen, um Gewicht zu verlieren. Tatsächlich ist der anfängliche Gewichtsverlust allerdings nur auf einen Wasserverlust des Körpers zurückzuführen. Wird L-Thyroxin eingenommen, obwohl es nicht benötigt wird, entstehen Symptome einer Hyperthyreose. Es können schwerwiegende und sogar lebensbedrohliche Nebenwirkungen eintreten.
F: Wenn ich eine neue Stärke L-Thyroxin einnehmen muss, wann soll ich vom Arzt am besten die Dosierung überprüfen lassen?
A: Nach 8–12 Wochen hat sich der TSH-Wert auf einen konstanten Wert eingestellt, deshalb sollten die Werte frühestens nach 8 Wochen überprüft werden.
F: Ist das L-Thyroxin, das der Körper herstellt, identisch mit dem, welches ich als Tabletten einnehmen muss?
A: Ja, der Körper kann das eine L-Thyroxin nicht vom anderen unterscheiden.
F: Wenn ich zum allerersten Mal L-Thyroxin einnehme, wann tritt die Wirkung ein?
A: Die Wirkung tritt nach 3 bis 5 Tagen ein.
F: Meine Tochter muss L-Thyroxin-Tabletten einnehmen, aber sie kann einfach keine Tabletten schlucken, darf ich sie in Wasser auflösen? (Die Tabletten, nicht meine Tochter.)
A: L-Thyroxin löst sich nicht gut in Wasser, kann aber als Suspension (fest in flüssig) gegeben werden. Man lässt die Tablette in 10–15 ml Wasser zerfallen und verabreicht sie frisch zubereitet. Es empfiehlt sich Leitungswasser nachzutrinken.
F: Was ist der Unterschied zwischen Euthyrox und L-Thyroxin?
A: Es gibt keinen. Euthyrox ist L-Thyroxin. Euthyrox ist nur ein Handelsname.
F: Was hat L-Thyroxin mit der aktuellen Corona-Pandemie gemein?
A: Bei beiden muss man Abstand halten!
F: Ich finde, dass du einiges in deinem L-Thyroxin-Artikel, auf den ich übrigens seit Januar 2020 warten musste, nicht erwähnt hast. How dare you?
A: Es tut mir aufrichtig leid. Der Artikel ist so schon ziemlich lang geworden und hätte locker noch um einiges länger werden können. Hätte ich alles erwähnt, was es zu erwähnen gibt, wäre das kein Artikel, sondern ein Buch geworden.
F: Wo bekomme ich denn noch mehr gute Infos über das Thema?
A: Bei Schwesterfraudoktor!

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Ansonsten freue ich mich ganz besonders, über jeden der mein Buch kauft, in das ich sehr viele Informationen, leicht verständlich, reingepackt habe, so dass garantiert jeder was dabei lernt. Auch Ärzte und Apotheker. Ich zumindest habe einiges beim Schreiben gelernt.
Da manche immer wieder geschrieben haben, dass sie von dem Spruch oder Tweet gerne ein T-Shirt hätten, gibt es jetzt T-Shirts davon. Und Hoodies. Und Tassen. Und bald auch Masken.
Kontakt:
Danke für stilistische und orthographische Korrekturvorschläge an Dr. Ulrike Koock alias Schwesterfraudoktor.